Verkleinerung der Veranstaltungsbühne: Eine knappe Entscheidung zugunsten unserer Rheinanlagen

In seiner Sitzung vom 31.08.2020 hatte der Bopparder Stadtrat über die Genehmigungsplanung zum Neubau einer Veranstaltungsbühne in den Rheinanlagen (TOP Ö2) zu entscheiden. Der Neubau soll den jetzigen Musikpavillon an der Eisbrech ersetzen. Mit 16 (Grüne, CDU, FWG, FDP) zu 15 (SPD, BfB, Loringhoven, Bürgermeister) Stimmen entschied sich die Mehrheit für einen verkleinerten Neubau mit 70 – anstelle von 120 – Quadratmetern Fläche. Groß waren Unverständnis und Kritik der Befürworter der großen Lösung:

• „Es muss doch mal aufhören, dass wir dauernd nur im Klein-Klein denken“; Boppard sei „die Stadt am Mittelrhein“, warum solle man sich daher mit 70 Quadratmetern begnügen? Man solle „sich schämen“ [für den Vorschlag zur Verkleinerung] und zukunftsorientiert denken (Dr. Jürgen Mohr, BfB)

• Man müsse „größer denken“, endlich ein Gegenpol zum ZAP in Emmelshausen werden; die kleinere Variante sei eine „Popelbühne“, es sei peinlich, wenn diese bei Großveranstaltungen um mobile Elemente ergänzt werden müsse (Philipp Loringhoven, fraktionslos)

• „Dieses Stück können wir noch attraktiver machen“, der parkähnliche Charakter bliebe erhalten, denn kein Baum werde gefällt und es blieben Retentionsflächen erhalten (Niko Neuser, SPD)

• Die CDU wolle nicht, dass „Boppard kulturell bereichert wird, […] Boppard schöner wird, […] Boppard noch besser wird“; in der ganzen Welt klappe es, dass so etwas gebaut würde; wir würden ohne die große Bühnenlösung auf der Stelle treten und abgehängt werden (Umut Kurt, SPD)

Daher möchten wir von Bündnis 90/Die Grünen einen Einblick in unsere Denkweise geben und im Folgenden begründen, warum wir sehr froh darüber sind, dass die kleinere Lösung durchgesetzt werden konnte:

Der jetzige Musikpavillon, erbaut 1948, ist ein in jeder Hinsicht gut und behutsam integrierter Bau. Form, Farbe, Größe, die Einbettung in hohe Hecken haben dazu beigetragen, dass er an dieser sensiblen Stelle unserer Rheinanlagen das Erscheinungsbild mit üppigem Baumbestand und erstklassigen Kulturdenkmalen (Sandtor, Alumnat St. Michael, Ritter-Schwalbach-Haus, Franziskanerkloster/Bundesakademie) in direkter Umgebung nicht stört. Man muss sich daher fragen: Haben die BopparderInnen der Nachkriegszeit den Pavillon nur aus Mangel kleiner gebaut oder viel mehr aus Weitblick und Rücksicht auf die Rheinanlagen? Denn garantiert war man sich früher darüber bewusst, dass jedes größere Gebäude und jede Versiegelung in diesem Herzstück der Stadt einem Frevel gleichkommen. Anders lässt sich nicht erklären, weshalb über einhundert Jahre lang die Rheinanlagen konsequent von Bürgermeistern, Stadträten und Personen wie Georg Francke um Grünflächen erweitert wurden, man ein bis heute ansprechendes Umfeld gestaltete, zahlreiche heimische und exotische Bäume pflanzte, diese sorgsam schützte und alles dafür tat, dass sie groß wachsen und lange leben konnten.

Die größten Störungen entlang der Rheinallee sind heutzutage die Turnhalle des Kant-Gymnasium und die Versiegelung im Umfeld der Burg – alle stammen sie aus jüngerer Vergangenheit. Es folgen nun die Skateranlage mit Lärmschutzwand im Mehrgenerationenpark, demnächst vielleicht ein unglücklich positioniertes Beachvolleyballfeld in den Ome-Anlagen. Verhindert werden konnte nun mit dem Änderungsantrag, dass eine (für diesen begrenzt zur Verfügung stehenden Raum) völlig überdimensionierte und nicht zu Ende gedachte Veranstaltungsbühne (unzureichende Möglichkeit zur Unterbringung der anvisierten 2000-3000 BesucherInnen, zu kleiner Backstage-Bereich, Fehlen von Toiletten bei Großveranstaltungen, Schutzlosigkeit gegenüber Vandalismus, fehlende Berücksichtigung des Bahn-, Schiffs- und Straßenlärms) den Park weiter ausgehöhlt hätte. Mit Stolz zeigen die Befürwortenden der großen Lösung auf unsere einzigartigen Rheinanlagen und möchten aus diesem Grund bei Veranstaltungen ein großes Publikum darin unterbringen können – zerstören sie aber gerade erst durch die hierzu vorgeschlagenen Eingriffe, sodass Boppard seinen Charme verlieren und drohen würde, zum zweiten Sankt Goar zu werden. Dort wurde jüngst in den Rheinanlagen ein vergleichbarer Fehler gemacht, geleitet von der Annahme, man müsse groß denken.

Die Bühne von 120 Quadratmetern Größe, wie sie ursprünglich vorgesehen war, wäre dicht bis zum Hinkelsteinbrunnen und dem Gedenkstein für Georg Francke gerückt worden. Die für diesen Bereich prägende Rasenfläche wäre hierdurch in enormem Ausmaß überbaut worden. Eine Rasenfläche mag ökologisch als vergleichsweise wenig wertvoll und für viele allenfalls als Versickerungsfläche gelten, sodass der Verlust von Rasen weniger Gewicht hat als der Verlust von Bäumen – für das Stadtbild und die Aufenthaltsqualität ist sie hier jedoch entscheidend. Ein Park, noch dazu im englischen Stil, lebt immer vom Spiel zwischen grünen Freiflächen und üppigem Baumbestand (zudem Wasserflächen und historisch gesehen auch Elementen wie Pavillons, Ruinen, Tempelchen, usw.). Verblieben wäre bei der großen Bühne nurmehr ein Alibi-artiger Grünstreifen von wenigen Metern Breite zum Fußweg des Rheins, die Großzügigkeit und der Charakter an dieser Stelle der Rheinanlagen wie auch wichtige Sichtachsenbeziehungen wären stark gestört worden. Die dichte Platzierung der Pfahlgründungen an den großkronigen Bäumen wäre mit dem Risiko verbunden gewesen, den Wurzelbereich zu schädigen und zum Verlust dieser Bäume zu führen.

Rendering-Ansicht der großen Veranstaltungsbühne. Quelle: Architekturbüro Rainer Pörsch, Boppard. Veröffentlicht in der Sitzungsvorlage zur Bopparder Stadtratssitzung vom 31.08.2020 (https://www.boppard.sitzung-online.de/bi/___tmp/tmp/450810361034747903/1034747903/00017971/71.pdf), 2020.

Für Großveranstaltungen, etwa zum Rheinland-Pfalz-Tag oder im BUGA-Jahr mit Orchestern wie der Rheinischen Philharmonie, bietet Boppard bereits einen erstklassigen Veranstaltungsort mit allseits gelobter Akustik, ausreichend Bühnenfläche und nötiger Infrastruktur (Gastronomie, Toiletten, Beleuchtung, Musikanlagen usw.) – nämlich in der Stadthalle. Auch der Marktplatz wird mittels temporär aufgestellter, mobiler Bühnenelemente regelmäßig hierfür genutzt. Im Bedarfsfall kann die neu zu bauende Bühne von 70 Quadratmetern Fläche also ebenso auf das erforderliche Maß erweitert werden, ohne dass dauerhaft die wichtigste Grünfläche Boppards verbaut wird. Die nun getroffene Lösung mit einer Verdopplung der Fläche ist gegenüber dem circa 35 Quadratmeter großen, alten Musikpavillon Erweiterung genug. Nicht die historischen Rheinanlagen müssen sich den heutigen Bedingungen von Großveranstaltungen mit Großbühne und großem Zuschauerbereich unterwerfen und beliebig als Verfügungsmasse dienen – wir müssen auf dieses allseits geschätzte Ensemble Rücksicht nehmen und vor geplanten Veränderungen verstehen, was es ausmacht!

Planansicht zur großen Bühne – dargestellt ist zudem der Grundriss des bisherigen Musikpavillons. Quelle: Architekturbüro Rainer Pörsch, Boppard. Veröffentlicht in der Sitzungsvorlage zur Bopparder Stadtratssitzung vom 31.08.2020 (https://www.boppard.sitzung-online.de/bi/___tmp/tmp/450810361034747903/1034747903/00017971/71.pdf), 2020.

Wir Grüne mögen also vielleicht tatsächlich „Klein-Klein“ denken, wenn es darum geht, die Rheinanlagen zu bebauen oder zu versiegeln. Anders aber ist es nicht möglich, deren Charakter zu bewahren und fortzuführen sowie diesen einzigartigen Bereich für die BesucherInnen und BürgerInnen als Schmuckstück und Erholungsraum zu erhalten. Mit Kräften unterstützen wir Lösungen, die dem Erhalt, der behutsamen Weiterentwicklung und der Erweiterung unserer städtischen Grünflächen dienen – hier denken wir sehr groß und unterstützen natürlich auch den Ausbau des kulturellen Angebots in Boppard, für das im Falle großer Veranstaltungen die oben genannten Standorte allen nötigen Raum bieten. Im Rahmen der Diskussion entstanden auch viele kreative Alternativvorschläge, etwa die Idee eines Bühnenschiffs zur BUGA, das die Orte am Mittelrhein anfahren und somit einen innovativen Beitrag zur Vernetzung unserer Kulturlandschaft darstellen würde. Ferner sind neue Impulse durch den im April 2019 vom Stadtrat in Auftrag gegebenen Planungswettbewerb zur Neugestaltung der Bopparder Rheinallee zu erwarten.

Kulturpessimistisch ist die Entscheidung zu einem behutsamen Neubau keineswegs. Denn „zukunftsorientiert“, dies haben visionäre Städte wie Kopenhagen längst erkannt, heißt nicht erst seit 2020 und unserem dritten Dürrejahr in Folge: Den Klimawandel ernst zu nehmen und Maßnahmen zu ergreifen, ihn zu bremsen oder aufzuhalten, zugleich auf dessen Auswirkungen vorzubereiten. In Zeiten von Hitzesommern, Trockenheit und Waldsterben keine Grünflächen zu reduzieren, sondern auszuweiten und das Mikroklima in Städten zu verbessern. Nicht Parkplätze, sondern Natur als unantastbar zu betrachten. Den Mut zu haben, in Zeiten von Großprojekten bescheiden zu bleiben und seinen städtischen Central Park nicht anzurühren. Denn eine falsche Entscheidung, ob aus Eile, Kreativlosigkeit oder dem Unwillen, über längere Zeit konstruktiv zu diskutieren und dadurch statt der besten Idee die erstbeste zu wählen, kann die Leistung voriger Generationen schnell zerstören.

Für die Bopparder Stadtratsfraktion und den Stadtverband Mittelrhein von Bündnis 90/Die Grünen:

Kent Michaelis (Vorstandssprecher)

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