1 000 Bäume und 2 000 Sträucher werden den Bopparderinnen und Boppardern durch Fördermittel des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums kostenfrei zur Verfügung gestellt. Neben dem Verbot von Schottergärten in Baden-Württemberg ein wichtiges Signal und eine hervorragende Aktion, an der sich hoffentlich viele beteiligen. Durch die Summe an pflanzenreichen, vogel- und insektenfreundlichen Gärten möge sich ein wichtiger Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz, zum Stadtbild und Mikroklima sowie unser aller Gemeinwohl ergeben.
Spätestens seit Ausrufung des Klimanotstands durch den Bopparder Stadtrat im vergangenen Jahr sollten aber alle Ratsmitglieder und die Verwaltung ebenfalls diese Ziele verfolgen. Daher erstaunen nicht nur die derzeit diskutierten Bauvorhaben und Versiegelungen in den Rheinanlagen oder aber der Vorschlag zur Abholzung von 40 Hektar unseres Stadtwaldes für ein Industriegebiet (was der Stadtrat im Juni 2020 glücklicherweise mit 16 zu 12 Stimmen verhinderte). Es ist gleichfalls unverständlich, dass nun in Bad Salzig mit dem Vorhaben „Erweiterung Ellig“ ein weiteres Stück des Eisenbolzes mit 100 Grundstücken auf 7,3 Hektar als Baugebiet erschlossen werden soll.
Dies, obwohl in Bad Salzig und im älteren Baugebiet „Ellig“ noch zahlreiche freie Bauplätze vorhanden sind und Leerstand ein vorherrschendes Problem ist, welches sich durch die demografische Entwicklung noch verschärfen wird. Die aktuellen und auch schon seit Jahrzehnten sinkenden Einwohnerzahlen konnten jüngst der Presse entnommen werden. Somit ist schlichtweg kein Bedarf an Bauplätzen in diesem Ausmaß abzusehen! Vielmehr sollte die Nachverdichtung der Ortskerne als wichtiges Gebot der Landschafts- und Bauplanung im Vordergrund stehen. Nur so lassen sich der Flächenverbrauch senken, Zersiedelung vermeiden und die Ortszentren, das Gemeinschaftsleben wie auch lokales Gewerbe wieder stärken. Vor allem aber würde unsere kulturell bedeutsame und artenreiche Landschaft dieses Welterbes dadurch erhalten bleiben. Als „Amazonas des Mittelrheins“ bezeichnete sie einst der Bopparder Biologe und Referent des Umweltministeriums, Dr. Peter Sound.
Immer weiter schrumpft durch solche Neubaugebiete auch die „Hintere Dick“ und deren direktes Umfeld – die „Erweiterung Ellig“ würde bis auf etwa 100 Meter an die ausgewiesenen Grenzen unseres Naturschutzgebiets heranrücken! Wozu werden Schutzgebiete ausgewiesen, wenn sie nicht auch bewusst geschützt werden? Warum steht unsere Kommune nicht aktiv hinter den Zielen des Klima- und Naturschutzes, statt gegen sie zu arbeiten, nur weil es (eventuell) rechtlich möglich ist? Und warum betreibt die Stadt Boppard mit diesen Projekten eine Politik, die letztlich auch dem Engagement der BürgerInnen zuwider ist und damit beispielsweise die positiven Effekte der eingangs erwähnten Pflanzaktion wieder gefährdet?
Erhebliche Mängel weist zudem das im Zuge der Planung für die „Erweiterung Ellig“ erstellte naturschutzfachliche Gutachten auf, wie nun jüngst auf Anfrage der Grünen Jugend Koblenz-Mittelrhein auch das Umweltministerium bestätigte. Obwohl dieses Gebiet zweifellos hochwertig ist und darin gleich acht Fledermausarten nachweisbar sind (darunter die in Rheinland-Pfalz vom Aussterben bedrohte Fransenfledermaus), hat es keinen Baustopp gegeben. Des Weiteren fehlen andere Tier- und Pflanzenarten im Gutachten gänzlich, obwohl sie vom BUND und Bad Salziger AnwohnerInnen im betroffenen Areal zweifellos festgestellt wurden – darunter u. a. Orchideen, Hirschkäfer, Ringelnattern, Schlingnattern und Smaragdeidechsen. Auch methodische Fehler stellt der BUND fest, indem zur Bestimmung von Reptilien und Amphibien zwar Bleche als Unterschlupf ausgelegt wurden, diese sich aber nur für wenige Wochen anstelle eines ganzen Jahres im Gebiet befanden. Dieser lange Zeitraum wäre aber nötig gewesen, damit Tiere diese Stellen angenommen hätten und entsprechend hätten gezählt werden können – der Gutachter kam so jedoch zu eklatanten Fehlergebnissen. Das Biotop wird von ihm zudem als „Wald“ bezeichnet, obwohl es sich der Definition nach um brachliegende Streuobstflächen handelt – für diese ist ein weitaus komplexerer Ausgleich nötig. Insgesamt stellt die Untere Naturschutzbehörde nach Auskunft des Ministeriums fest, dass das „in Planung befindliche Baugebiet in Boppard-Bad Salzig einen erheblichen Eingriff in Natur und Landschaft darstellt, dem aus naturschutzfachlicher Sicht nicht zugestimmt werden kann, zumal bislang nicht einmal adäquate Ausgleichsflächen vorgesehen sind“.
Neben den vielfältigen negativen ökologischen Auswirkungen, die dieses Projekt auf Natur und Landschaft in Boppard hat, zeigen sich auch noch ganz andere Kritikpunkte: Etwa die Steuerverschwendung, welche mit der Planung des Neubaugebietes und dem Kauf der Grundstücke einherging. Warum kaufte die Stadt Grundstücke im Wert von 1,4 Mio. Euro, ohne zu wissen, ob dort überhaupt (naturschutzrechtlich gesehen) gebaut werden kann? Warum prüfte die Stadt nicht im Voraus erst einmal, ob überhaupt der Bedarf an einem Neubaugebiet besteht? Leicht kann sich jeder ausrechnen, wie der ganze Ortsbezirk Bad Salzig von diesen 1,4 Mio. Euro wirklich hätte profitieren und nachhaltig aufgewertet werden können – angefangen von Nachtbuslinien in der Region, der innerörtlichen Begrünung, Maßnahmen zur fahrrad- und fußgängerfreundlichen Vernetzung der Rheinfront mit dem Ortskern bis hin zu Quartierskonzepten zur Reduktion des Leerstands oder zur Schaffung eines Nahwärmenetzes für den Altbestand. Ein Neubaugebiet selbst führt nicht zu größerer Attraktivität des Ortsbezirks.
Am Ende bleibt die Frage: Was nun? Die Grundstücke sind gekauft. Sie zu bebauen wäre ein Verbrechen an der Natur. Warum das Ganze nicht sinnvoll fördern? Dieses Biotop mit den Grundstücken, die ja jetzt der Stadt gehören, als weiteres Schutzgebiet erklären? Mehr denn je sollten wir heute ein solches Gebiet erhalten, da es außerdem ein Ort der Erholung ist, nach dem sich viele Menschen in der heutigen Zeit sehnen. Schauen Sie bei einem Besuch der Feindlichen Brüder doch einmal hinüber auf unsere Rheinseite und auf den betroffenen Bereich mit seinem überdurchschnittlichen Wert für die Natur, auf den wir eigentlich mit Stolz blicken sollten. Laufen Sie doch einmal im Wissen um das gerade Gelesene durch das Gebiet und überlegen Sie sich – muss das wirklich weg?
Merlin Brager (Grüne Jugend Koblenz-Mittelrhein) und Kent Michaelis (Vorstandssprecher des Stadtverbands Mittelrhein von Bündnis 90/Die Grünen)
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